Wo Pferde Krabben fangen: Die Krabbenfischer in Oostduinkerke

Eine lebendige Tradition an der belgischen Nordseeküste

Vielen Menschen stehen in der Stadt. In der Mitte steht ein weisser Kaltblüter. Rechts daneben ein Fischer im gelben Friesennerz

Wenn man an die Nordseeküste denkt, hat man schnell Strand und Dünen, rot-weiße Leuchttürme, kleine Häfen mit Krabbenkuttern, und vielleicht ein leckeres Fischbrötchen vor dem inneren Auge. Wer ein ganz besonderes Stück Nordsee-Flair erleben möchte, sollte aber mal den Blick nach Belgien richten. Genauer gesagt: nach Oostduinkerke. Denn hier gibt es etwas, das es sonst nirgends mehr gibt. Ab und zu im Jahr wird dieser kleine Ort zur Bühne für ein Schauspiel, das aussieht wie aus einer anderen Zeit: Fischer, die zu Pferd durchs Meer reiten und Krabben fang.

Zwei Fischerinnen fangen im Meer stehenden Krabben- Im Hintergrund steht ein Pferd mit Fischer im Wasser

Klar, wir kennen alle die bunten Krabbenkutter aus Greetsiel, Neuharlingersiel oder Fedderwardersiel und haben vielleicht auch schon mal eine Kutterfahrt mitgemacht. Aber wie will man Krabben fischen mit einem Pferd?

Das wollte ich mit meinen eigenen Augen sehen. Ostern 2023 war ich in Belgien unterwegs – eigentlich um das schöne Brügge zu besuchen – aber an einem Tag bot es sich an, diese kuriose und gleichzeitig beeindruckende Tradition mal selbst zu erleben. Nur einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt liegt Oostduinkerke – ein belgisches Küstenstädtchen, das diese ganz besondere Tradition pflegt. Mehrfach im Jahr kommen hier die Männer und Frauen in Ölzeug und Gummistiefeln zusammen und ziehen mit ihren robusten Kaltblütern durchs flache Meer, um Krabben zu fangen. Also Kamera ausgepackt, die Schuhe ausgezogen, die Hose hochgekrempelt und dann ab ins Wasser für eine spannende Foto-Reportage.


Eine Methode mit Geschichte

Seit über 500 Jahren durchkämmen Krabbenfischer zu Pferd das Wasser vor der belgischen Nordseeküste. Die Küste ist hier sehr flach und so konnten hier Krabben entweder per Hand mit Käscher oder halt mit Pferd, Netz aber immer mit einer Menge Geschick gefangen werden.

Drei Fischer sitzen im gelben Friesennerz auf jeweils einem Kaltblüter und ziehen durch das Meer

Die Fischer tragen traditionelle Kleidung: einen langen gelben Friesennerz, hohe Gummistiefel und vielleicht einen Südwester auf dem Kopf. Sie reiten auf kräftigen belgischen Kaltblütern, in der Regel Brabanter – ruhige, geländesichere Pferde, die stark genug sind, um das schwere Schleppnetz durchs Wasser zu ziehen. Diese Pferde sind an das Watt und den Widerstand des Wassers gewöhnt. Hinter dem Sattel ist eine spezielle Vorrichtung angebracht – eine Art Schleppnetz, das über den Meeresboden gezogen wird. An den Seiten vom Pferd ist jeweils ein großer Netzkorb befestigt.

Alles wird zuerst mit Wagen zum Strand gebracht. Sobald Reiter und Pferd das flache Wasser erreicht haben, bauen Sie das Netz auf. Ist alles hinter dem Pferd angebracht läuft es nun langsam vorwärts, immer parallel zum Küstensteifen, während das Netz den sandigen Boden durchpflügt und die kleine Krabben aufnimmt, die darin hängen bleiben. Ist das Netz voll, wird es geleert und der Fang in den großen Korb am Pferderücken geschüttet. Diese Arbeit ist körperlich anstrengend, erfordert viel Erfahrung, Geduld und vor allem ein gutes Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier. Teilweise geht den Tieren das Wasser bis zum Bauch und höher.


Mehr als nur Show

Was heute auf den ersten Blick wie eine folkloristische Show für Touristen wirkt, ist für viele Menschen in Oostduinkerke ein echter Teil ihrer Identität. Die Krabbenfischerei zu Pferd war früher harte Alltagsarbeit und ein wichtiger Beitrag zum Lebensunterhalt der Familien. Diese Praxis wird heute noch mit Stolz weitergegeben – von den älteren Fischern an die jüngeren, oft innerhalb der Familie. Es geht dabei nicht nur ums Krabbenfischen, sondern um ein Stück gelebte Kultur und um das Bewahren von etwas, das sonst verloren gehen könnte.

Eine Fischerin zeigt einer Frau mit Handy eine kleine Krabbe

Wenn die Krabbenfischer heute losziehen, ist das ein Ereignis. Viele Einheimische und Besucher versammeln sich am Strand. Man kann den Fischern beim Arbeiten zusehen, mit ihnen ins Gespräch kommen und sich vieles erklären lassen. 
Nach dem Fang können die frisch gefangenen Nordseekrabben natürlich direkt vor Ort probiert – so fangfrisch, wie man es kaum irgendwo sonst erlebt. Und wer noch tiefer einsteigen will, besucht das lokale Museum, das spannende Einblicke in die Geschichte, Werkzeuge und den Wandel der Fischerei bietet. Ein Besuch in Oostduinkerke bleibt im Kopf – und macht Lust auf mehr echte Geschichten von der Küste.


Warum nicht in Deutschland?

Man fragt sich schnell: Warum gibt es sowas eigentlich nicht an der deutschen Küste? Ganz einfach – weil es hier schlicht nicht die passenden Bedingungen dafür gibt. Unsere Strände fallen meist schneller ins tiefere Wasser ab. Da kommt man mit Pferd nicht weit – die Krabben wären längst außer Reichweite. Ein Kutter ist hier das bessere Mittel der Wahl.

Fazit

Die Krabbenfischer zu Pferd sind ein Stück lebendige Küstenkultur – ursprünglich, authentisch, einzigartig. Es lohnt sich, das einmal mit eigenen Augen zu sehen. Vielleicht sogar mit Kamera in der Hand. Ich werde auf jeden Fall nochmal in die Region fahren und die verschiedenen Städte besuchen. Auch mit der Küstentram muss ich mal mitfahren – also ein schönes Ziel für einen neuen Kurztrip.

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