Vor einigen Jahren besuchte ich die Great Dorset Steam Fair in England, eine Veranstaltung, die für Freunde historischer Dampftechnik und Dampfmaschinen ein wahres Mekka ist. Auf dem riesigen Gelände gibt es aber auch eine Fläche für die historische Darstellungen der beiden Weltkriege. Bereits am Eingang dieses Geländes prangte ein großes Schild mit der Aufschrift „LOOK and LEARN“ – eine klare Aufforderung, die Geschichte zu betrachten und daraus zu lernen.
Gerade heute, kurz vor der Bundestagswahl 2025, in einer Zeit zunehmender Radikalisierung und eines wachsenden Rechtsrucks, ist es wichtiger denn je, aus der Geschichte zu lernen, um nicht dieselben Fehler zu wiederholen.
Geschichte als Mahnung
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Die Darstellung auf dem Gelände war eindrucksvoll und detailreich. Darsteller zeigten das Leben der Soldaten, die Entbehrungen im Schützengraben und die vielen grausamen Details: Waffen, blutüberströmte Verbandsmittel, Ratten, Dreck und die ständige Angst vor dem nächsten Angriff. Besucher konnten durch nachgebaute Schützengräben gehen und mit Darstellern in historischen Rollen sprechen. Es war ein Versuch, diese dunkle Geschichte erlebbar zu machen – nicht als Heldenverehrung, sondern als eindringliche Mahnung.
Die britische Erinnerungskultur unterscheidet sich jedoch stark von der deutschen. Während in Deutschland die Weltkriege als Mahnung an die eigene Schuld und Verantwortung verstanden wird, liegt der Fokus in Großbritannien oft stärker auf dem Widerstand gegen Nazi-Deutschland und dem Stolz auf die eigene Rolle im Krieg. Diese Perspektive prägt die Art, wie Geschichte vermittelt wird – oft mit einem stärkeren Bezug auf militärische Errungenschaften und Durchhaltewillen. Während man in Deutschland Gedenkstätten besucht, um sich an die Schrecken und Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern, sind historische Reenactments wie auf der Great Dorset Steam Fair populärer.
Sie bieten eine erlebbare Geschichtsvermittlung, die ich persönlich viel eingängiger finde – besonders für Jugendliche und Menschen, die sich mit traditionellen Museen schwer tun.
Der Rechtsruck und das Vergessen
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In vielen Ländern Europas, Amerikas und darüber hinaus erstarken nationalistische und rechtsextreme Bewegungen. Narrative von nationaler Überlegenheit, Abschottung und autoritären Lösungen gewinnen wieder an Einfluss. Manchmal geschieht dies offen, oft jedoch schleichend – getarnt als „Patriotismus“, „Traditionsbewahrung“ oder wirtschaftlicher Nationalismus wie „America First“.
Ein grundlegendes Problem scheint zu sein, dass viele Menschen entweder nie gelernt haben oder bereits vergessen haben, welche fatalen Folgen nationalistisches Denken und die daraus entstandenen kriegerischen Konflikte hatten. Die Generation, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt hat, wird immer kleiner. Gleichzeitig gerät die Erinnerungskultur zunehmend unter Druck. Museen, Gedenkstätten und historische Bildungsangebote stehen unter Bedrohung – sei es durch finanzielle Kürzungen oder politische Einflussnahme.
LOOK and LEARN – Hinschauen und Lernen, JETZT!
Das Schild am Eingang der Steam Fair sollte eine Selbstverständlichkeit sein: Hinschauen und Lernen.
Doch genau das geschieht immer weniger. Vieles, was vor Jahrzehnten zu unermesslichem Leid geführt hat, kehrt in neuen Formen zurück. Die Mechanismen sind dieselben: Angstmacherei, das Schaffen von Sündenböcken, die Verklärung der eigenen Vergangenheit.
Die Lehren der Geschichte sind nur dann wirksam, wenn sie präsent gehalten werden. Das bedeutet, sich aktiv mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, Fragen zu stellen und kritisch zu bleiben. Es bedeutet aber auch, klare Haltung zu zeigen, wenn sich historische Erzählungen ins Gegenteil verkehren.
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Wählen gehen zur Bundestagswahl
Ich denke oft an dieses Schild zurück. Ich hoffe, dass sich nun bei der kommenden Bundestagswahl viele noch einmal mit der Geschichte auseinandersetzen und die richtigen Lehren daraus ziehen – das Sie Wählen gehen und das Sie ihr Kreuz nicht an die falsche Stelle setzen.
Bilder
Steam Fair – Darstellungsfläche des 1. Weltkrieges
Steam Fair – Darstellungsfläche des 2. Weltkrieges
Die Great Dorset Steam Fair
Ich besuchte die Great Dorset Steam Fair in den Jahren 2018 und 2022. Die Veranstaltung bot eine beeindruckende Vielfalt an Attraktionen: zahlreiche Ausstellungen und Vorführungen von Dampfmaschinen (2018 bis zu 500 Stück!), eine Sammlung historischer und klassischer Kraftfahrzeuge, eine Darstellung von historischer Landwirtschaft, Live-Musik, ein traditionelles Jahrmarktgelände und noch vieles mehr. Leider wurde die Veranstaltung aufgrund steigender Betriebs- und Infrastrukturkosten eingestellt. Trotz intensiver Bemühungen konnte bisher kein Betreiber gefunden werden, der bereit ist, das finanzielle Risiko für die Durchführung dieses großen Events zu übernehmen.
Ja – die Erinnerungen an den Horror des Krieges und den Genozid an allem was nicht „arisch“ genug war verblasst mit dem verschwinden der Zeitzeugen. Ich war mit 50 das erste Mal in Dachau (obwohl ich schon 20j in München lebe). Wir müssen mehr darüber sprechen. #niewiederistjetzt